Sonntag, 21. April 2013

Der Trainereffekt: Tatsache oder Mythos ?

Vor dem Wiener Derby stellt sich die große Frage ob die interimistische Beförderung von Zoran Barisic den sogenannten Trainereffekt hervorruft und der krasse Außenseiter somit den Tabellenführer aus Favoriten bezwingen kann. Doch gibt es diesen Effekt eigentlich wirklich oder handelt es sich dabei nur um eine alte Fußballer-Weisheit ? 

Um dies herauszufinden muss man einerseits die Vergangenheit statistisch röntgen und gleichzeitig auf den möglichen psychologischen Nebeneffekt achten. Bekanntlich gilt ein Trainerwechsel für viele Spieler immer wieder als neue Chance sich für die Startaufstellung zu beweisen. Vor allem jene Leute die unter dem vorigen Trainer, in diesem Fall Peter Schöttel, nicht wie gewünscht zum Zug kamen werden vergangene Woche voll motiviert in die Trainingseinheiten gegangen sein.

Zu Beginn ist ein Blick auf die Vergangenheit angesagt, insbesondere natürlich auf jene der Grün-Weißen. Dazu sollte man am besten einen Blick auf die ersten beiden Spiele von Neubestellungen auf dem Trainerposten werfen und somit versuchen eine Art Muster herauszulesen:

PETER PACULT (RAPID , 0/2/0): Im September 2006 wurde Peter Pacult aus Dresden nach Hütteldorf gelotst um den glücklosen Georg Zellhofer zu beerben. Schon damals wurde von den verschiedensten Medien im Vorfeld von einem möglichen Trainereffekt gesprochen. In den ersten beiden Partien holte Pacult immerhin 2 Remis, einmal gegen Salzburg und einmal in Innsbruck.

ZORAN BARISIC (RAPID, 2/0/0): Da Peter Pacult bei einem Treffen mit Red Bull Boss Mateschitz entdeckt wurde schien ein Wechsel Richtung Salzburg für die verschiedensten Medien nur noch Formsache. Letztendlich wurde es RB Leipzig. Edlinger wars egal, er zog die Reißleine und beförderte schon damals Amateuretrainer Barisic zum zwischenzeitlichen Chef. In Innsbruck und gegen den SC Wiener Neustadt konnte man immerhin zwei hohe Siege einfahren.

RICARDO MONIZ (SALZBURG , 1/0/1): Ricardo Moniz sprang im April 2011 für Huub Stevens ein. In seinem ersten Spiel setzte es eine bittere 0:1 Niederlage gegen LASK Linz, im nächsten Spiel konnten die Bullen aber immerhin mit 3:0 gegen Sturm Graz gewinnen.

ROLAND KIRCHLER (INNSBRUCK , 2/0/0): Walter Kogler agierte vergangenen Herbst glücklos in der Tiroler Landeshaupstadt, das dortige Urgestein Roland Kirchler sprang ein. Und das auch noch ziemlich erfolgreich: Gegen Ried (H) und Mattersburg (A) konnte man in der ersten 2 Spielen von Kirchler als Wacker Innsbruck Cheftrainer ebenso viele Siege einfahren.

MICHAEL ANGERSCHMID (RIED , 1/1/0): Angerschmid war Nachfolger von Interimstrainer Gerhard Schweitzer nachdem Heinz Fuchsbichler bei den Innviertlern entlassen worden war. Angerschmid gelangen immerhin 4 Punkte in den beiden Heimspielen gegen Innsbruck und Wolfsberg.

DIETMAR KÜHBAUER (ADMIRA , 2/0/0): "Don Didi" wurde vom Amateuretrainer zum Cheftrainer befördert als Walter Schachner vom damaligen Mäzen Richard Trenkwalder entlassen wurde. Auch wenn es sich nur um die 2.höchste Speielklasse handelte, Kühbauer gewann seine ersten beiden Spiele gegen die Austria Amateure als auch gegen St.Pölten, 4 weitere Siege in ebenso vielen Spielen folgten.

HELMUT KRAFT (LASK LINZ , 1/0/1): Als der LASK im Frühjahr 2010 auf Trainersuche war stolperte man scheinbar zufällig über Helmut Kraft, welcher davor beim SC Wiener Neustadt entlassen wurde. Im ersten Spiel konnte er mit seiner Mannschaft 4:2 gegen Rapid gewinnen, in der nächsten Runde folgte eine böse 0:3 Niederlage gegen Red Bull Salzburg.

GEORG ZELLHOFER (SCR ALTACH, 1/1/0): In der Abstiegssaison des SC Rheindorf Altach im Jahr 2009 agierten gleich 3 Trainer bei den Vorarlbergern: Heinz Fuchsbichler, Urs Schöneberger und eben Georg Zellhofer. Zellhofer konnte aus seinen ersten beiden Spielen gegen die Wiener Austria (2:1 Sieg) und dem LASK (1:1) immerhin 4 Punkte ergattern.

IVICA VASTIC (AUSTRIA WIEN, 1/1/0): Die Ära des Ivo Vastic als Trainer der Wiener Austria gilt nicht unbedingt als die erfolgreichste. Im Vorfeld war die Euphorie in Favoriten groß, schließlich ließ der Nationalheld und aktuelle Trainer des SV Gaflenz aus Sicht der Fans zu defensiv spielen. Schließlich verpasste Vastic mit seiner Mannschaft den Europacup und aus der ursprünglich langfristig gedachten Lösung wurde ein halbjähriges Intermezzo. Immerhin konnte der Austro-Kroate aus den ersten beiden Partien (Ried, Rapid) 4 Punkte herausschlagen.

Bei einem Blick auf all diese Spiele erkennt man sofort dass es doch so etwas wie einen Trainereffekt geben könnte. Natürlich ist dies nur ein Art Stichprobe, dennoch liest sich die Gesamtstatistik (11/5/2) relativ beeindruckend. Nur Peter Pacult konnte von insgesamt 9 Trainer keinen Sieg aus den ersten beiden Spielen herausschlagen.

Doch warum ist dem so ? Ein Grund ist auf alle Fälle natürlich dass etwas frischer Wind in die Mannschaft weht und diese daher einen mehr oder weniger großen Motivationsschub erhält. Natürlich kann kein Trainer dieser Welt in 2-3 Wochen eine Mannschaft erheblich verbessern, allerdings spielt die mentale Seite im modernen Fußball vermutlich eine weitaus größere Rolle als körperliche Stärken oder technische Gustostückerl. Daher scheint sich eine Mannschaft in den ersten Spielen eines neuen Trainers scheinbar enorm verbessert zu haben. Vor allem für jene Spieler die eigentlich schon ausgemustert wurden (im Falle von Rapid z.B. Thomas Prager oder Stefan Kulovits) sorgt ein Trainerwechsel für besonders viel Adrenalin im Blut.

Auch die aktuelle Krise des SK Rapid Wien ist wohl zu einem Großteil in den Köpfen der Spieler gewachsen, denn dass die Wiener an und für sich eine bessere Mannschaft als etwa Pasching oder Innsbruck darstellen ist kein großes Geheimnis.
Auch gut abzulesen ist diese Theorie an der klassischen Weisheit "Wenns läuft dann läufts". Denn mit jedem Sieg wird eine Mannschaft selbstbewusster, mit jeder Niederlage verliert sie an mentaler Substanz. Kein Wunder also dass die Rapid-Spieler langsam aber sicher das Vertrauen in sich selbst verloren.

Kurz zusammengefasst: Es gibt tatsächlich eine Art Trainereffekt, diese Tatsache bringt trotz der Formstärke der Austria auch wieder etwas Spannung in das 305. Wiener Derby.
Allerdings sollte man beachten dass gute Arbeit nicht unbedingt darauf beruht anständig den Trainer zu wechseln um frischen Wind in die Mannschaft zu bringen.
Gute Arbeit beruht auf geduldiger und nachhaltiger Arbeit. So wie es bei eigentlich allen internationalen Spitzenteams der Fall ist.

(mpesseg, 21.April 2013)


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